EU vs. Facebook

Schaltest Du ab oder postest Du noch …

Im ersten Quartal 2018 waren etwa 377 Millionen Europäerinnen und Europäer mindestens einmal im Monat bei Facebook aktiv. Mehr als zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union nutzten damit die Dienste des amerikanischen Unternehmens. Dieser hohe Aktivitätsgrad hat gerade in den letzten Jahren dazu geführt, dass Facebook auch für Unternehmen und andere Institutionen als Werbe- und Vermarktungsplattform attraktiv wurde. Die Zahl und Vielfalt dieser eigens dafür eingeführten Facebook-Fanpages ist heute beeindruckend. Umso genauer wurde im Juni 2018 die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über die Verpflichtungen zum Datenschutz für die Betreiber solcher Seiten beäugt.

EuGH: Betreiber und Facebook gemeinsam für Datenschutz verantwortlich

Vorangegangen war der Entscheidung ein bereits seit 2011 in verschiedenen Instanzen verhandelter Rechtsstreit zwischen der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein und dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein. Das Landeszentrum wies damals die Wirtschaftsakademie an, seine Facebook-Fanpage zu deaktivieren, da weder die Wirtschaftsakademie noch Facebook selbst die Nutzer der Seite darauf hinweise, dass Facebook mittels Cookies personenbezogene Daten erhebt und diese Daten im Anschluss verarbeitet. Die Wirtschaftsakademie erhob gegen diesen Bescheid Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht und argumentierte, dass nicht sie selbst, sondern Facebook die Aufgabe des Datenschutzes zuzuordnen sei und daher nur ein Vorgehen des Landeszentrums für Datenschutz gegen Facebook selbst zulässig gewesen wäre. Zur Klärung dieser Frage ersuchte das Bundesverwaltungsgericht in der Folge den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung der Frage und Auslegung der Datenschutzrichtlinie der Europäischen Union. Der Gerichtshof entschied am 05. Juni 2018, dass nicht nur Facebook selbst, sondern auch der jeweilige Betreiber eine Facebook-Fanpage im Sinne der Richtlinie gemeinsam für die entsprechende Datenverarbeitung auf Facebook und damit auch für den Datenschutz verantwortlich sind. Diese Entscheidung stützte der Europäische Gerichtshof auf die Feststellung, dass auch der Betreiber der Seite an der von Facebook vorgenommenen Datenerhebung beteiligt sei, da er zum Beispiel mittels Werbeanzeigen selbst entscheiden könne, wie er die von Facebook automatisch erhobenen personenbezogenen Daten seiner Nutzer verarbeitet.

Viele Meinungen, wenig Klarheit

Das Urteil fand viel Beachtung. Wohl auch aufgrund der derzeit durch die Datenschutzgrundverordnung entstandenen erhöhten Sensibilität gegenüber Datenschutzfragen im Internet war das mediale Echo der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes breit gestreut. Bemerkenswert war dabei die teils sehr unterschiedliche Auslegung der Entscheidung. Über mehrere Tage wurden Presseartikel veröffentlicht, die teilweise sich diametral gegenüberstehende Schlüsse aus der Entscheidung zogen. Vielfach wurde so proklamiert, dass mit der Entscheidung nun das Abschalten aller Facebook-Fanpages für die Betreiber solcher Seiten der einzige Weg sei, sich rechtskonform zu verhalten. Andere Autoren werteten die Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes entspannter und führten aus, dass auch die Wertung des Gerichtshofes durch das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Entscheidung über die Revision im Bezug auf das Verfahren zwischen Wirtschaftsakademie und Landeszentrum für Datenschutz erst ausgelegt und aufgenommen werden muss, ehe eine rechtliche Verbindlichkeit für die Betreiber der Seiten entsteht. Bemerkenswert waren neben dem breiten Presseecho auch die Reaktionen der regionalen Datenschützer in Sachsen-Anhalt. Bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Europäische Gerichtshofes wies der Landesbeauftragte für Datenschutz des Landes Sachsen-Anhalt verschiedene Institutionen des Landes an, ihre Facebook-Fanpage umgehend zu löschen, da diese nicht mehr mit der Datenschutzrichtlinie der Europäischen Union vereinbar seien. Ein prominentes Opfer dieser Entscheidung war der Museumsverband Sachsen-Anhalt e.V., der dieser Aufforderung durch den Landesdatenschutzbeauftragten umgehend nachkam. Auch den Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigte dieser Sachverhalt im Nachgang. In der Landtagssitzung vom 20.06.2018 befragte die Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Katja Pähle, den Kulturminister, Rainer Robra, über die Einschätzung der Landesregierung zur Löschung von Facebook-Fanpages für Institutionen aus Sachsen-Anhalt.  Für die Landesregierung erklärte der zuständige Minister, dass sie keine Notwendigkeit dafür sehe, alle Aktivitäten von Fanpages auf Facebook zu untersagen. Dies begründete er insbesondere damit, dass derzeit noch keine rechtsverbindliche Entscheidung gefallen sei und auch Facebook selbst bereits erklärt habe, zeitnah eine Lösung des Problems herbeizuführen. Im Nachgang zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat diese damit eine Vielzahl an unterschiedlichen Auslegungen und Meinungsäußerungen hervorgerufen. Klarheit über die Konsequenzen suchte man aber vergebens.

Nach der Aufregung: Was bleibt vom Urteil des EuGH?

Heute, einige Woche nach der Entscheidung ist das Thema zumindest in der medialen Berichterstattung ebenso schnell wieder verschwunden, wie es aufgetaucht ist. Die Aufregung hat sich gelegt. Bei Lichte betrachtet muss man gleichsam auch feststellen, dass diese Aufregung wohl nicht nötig gewesen wäre. Bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes handelte sich um eine Auslegung der europäischen Datenschutzrichtlinie im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens. Die umgehende rechtliche Bindungswirkung, die durch manche Kommentatoren der Entscheidung konstruiert wurde, bestand damit nicht. Das Vorabentscheidungsersuchen ist lediglich eine Möglichkeit für Gerichte, im Rahmen eines bei ihnen anhängigen Rechtsstreites beim Europäischen Gerichtshof die Klärung offener europarechtlicher Fragen herbeizuführen. Die Entscheidung des Gerichtshofes bindet zwar das jeweilige nationale Gericht, da es die entsprechenden Fragen dann im Nachgang nicht anders als der Gerichtshof beantworten darf, der Gerichtshof entscheidet aber nicht über den nationalen Rechtsstreit selbst. Vielmehr obliegt es gerade dem zuständigen nationalen Gericht im Folgenden den ihm vorliegenden Rechtsstreit im Einklang mit der Stellungnahme des Gerichtshofes zu entscheiden. Richtig lagen damit die Kommentatoren der Entscheidung, die angemahnt haben, dass es geboten sei, vor dem vorschnellen Löschen aller Facebook-Fanpages abzuwarten, wie die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofes tatsächlich in der abschließenden Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgenommen wird. Eine Entscheidung über die Revision liegt derzeit noch nicht vor. Unbenommen dessen kann man der entstandenen Aufregung um die Frage der Pflicht der Betreiber von Facebook-Fanpages für den Datenschutz auch positive Aspekte abgewinnen. Viele Seitenbetreiber haben bereits heute Datenschutzerklärungen auf Facebook veröffentlicht, bei denen davon auszugehen ist, dass sie unabhängig von der konkreten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes der allgemeinen europarechtlichen Wertung des Sachverhalts durch den Europäischen Gerichtshofes in Bezug auf die Datenschutzrichtlinie entsprechen. So haben zum Beispiel mit die Fanpages von Dr. Angela Merkel und den Berliner Philharmonikern, zwei der reichweitenstärksten deutschen Facebook-Fanpages, in ihren Seiteninformationen eine Verlinkung auf die jeweiligen Datenschutzerklärungen ihrer Webseiten vorgenommen und dort die Frage der Verarbeitung der personenbezogenen Daten von Nutzern auf Facebook explizit aufgegriffen. Dieser Weg ist gangbar, sinnvoll und wird auch dem gesteigerten Interesse der Nutzerinnen und Nutzer an den Fragen des Datenschutzes in sozialen Netzwerken gerecht. Wer sich im Zuge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes dazu entschieden hat, seine Facebook-Fanpage zu löschen, dem ist damit nun ein Weg aufgezeigt, mit dem er sich rechtskonform verhalten und trotzdem eine ebensolche Seite betreiben kann. Beispielhaft zeigt dieser Fall trotzdem, wie stark in den letzten Jahren die Sensibilität für die Fragen des Datenschutzes gewachsen ist. Die Leichtfertigkeit, die noch vor wenigen Jahren im Bezug auf die Herausgabe und Verarbeitung von personenbezogenen Daten bestand, ist mittlerweile sowohl auf Seiten der Nutzerinnen und Nutzer als auch auf Seiten der Menschen, die die personenbezogenen Daten verarbeiten, erheblich gesunken. Dem Ziel des verantwortungsvollen Umgangs mit persönlichen Daten kann dies nur zuträglich sein – auch wenn, wie der aktuelle Fall zeigt, manchmal eine kritisch-sachliche Bewertung von Entscheidungen zum Datenschutz der Hektik und Panik in der Auslegung der Entscheidung vorzuziehen.

Vielen Dank an Eric Eigendorf für den Blogbeitrag!